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Zur Übersicht10. März 2022
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Buchhändlerin und freie Journalistin Marah Rikli

Weibliche Vorbilder braucht die Welt. Von ihnen kannst du lernen und dich inspirieren lassen. In unserer Rubrik „5 Fragen an …“ erzählen sie dir, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie heute stehen und welchen Tipp sie für junge Frauen haben. In der zweiten Ausgabe haben wir mit Marah Rikli, Buchhändlerin und freie Journalistin, gesprochen.

Portraitfoto Marah Rikli

Marah Rikli, du bist freie Journalistin, Mentorin, Moderatorin und leitest eine Buchhandlung, auch bist du Mutter von zwei Kindern. Du hast sehr viel erreicht! Wie bist du dahin gekommen, wo du heute stehst?

Nach der Sekundarschule habe ich eine Lehre als Buchhändlerin absolviert. Ich hatte früh Ambitionen und arbeitete viel und gerne in meinem Beruf. Ich glaube, ich konnte mich in meinen jeweiligen Tätigkeiten entwickeln, weil ich den Mut hatte, meine Meinung laut auszusprechen. Und ich habe auch den männlichen Vorgesetzten mit guten Argumenten und oft auch mit Humor die Stirn geboten.

Wenn sich eine Chance bot, im Beruf weiterzukommen, ergriff ich sie. Natürlich habe ich manchmal auch mit Entscheidungen und grossen Schritten gehadert. Als ich zum Beispiel für mehrere Jahre den Buchhandel verliess und im Kader einer grossen Firma arbeitete – ohne entsprechendes Studium, als Quereinsteigerin. Da begleitete mich eine grosse Unsicherheit und Ängste, zu versagen. Ich habe dann entsprechende Kurse besucht, mich intern weitergebildet und sehr viele Bücher gelesen über den Fachbereich.

Mein Weg ist nicht geradlinig; eher eine abenteuerliche Reise. Ich bin sehr vielseitig interessiert, Veränderungsprozesse schrecken mich daher auch nicht ab, sondern motivieren mich.  Eine Bekannte sagte mir mal: du bist eine eierlegende Wollmilchsau. So ist es nicht ganz – ich komme energetisch immer wieder an meine Grenzen aber was schon stimmt: Mich kann man in sehr vielen Bereichen einsetzen: Ich habe im Gastgewerbe, im Verlagswesen, in einer Kunstgalerie, im Journalismus, in Buchhandlungen gearbeitet. Ich finde praktisch überall einen «Purpose», solange der Teamgeist und die Arbeitsumgebung stimmen und ich genügend Erholungs- und Familienzeit habe. Ja – ich glaube das kann ein Erfolgsrezept sein: Seinen «Purpose» zu kennen.

Mit welchen Herausforderungen warst du auf deinem Weg konfrontiert?

Das Thema Vereinbarkeit war definitiv eine Herausforderung, vor allem die ersten Jahre nach den Geburten. Bereits mit dem ersten Baby wurde mir klar, dass ich für eine Karriere nicht Vollzeit arbeiten will. Es ist mir zu wichtig, mehrere Tage in der Woche mit meinem Kind zu verbringen. Abgesehen davon haben mich die kurzen Nächte, die «Care-Arbeit» und die neue Verantwortung bei beiden Kindern sehr erschöpft. Der Druck, der in der Schweiz auf jungen Eltern lastet, ist enorm. Da muss politisch noch viel passieren. Daher setze ich mich auch für eine Elternzeit von mindestens einem Jahr ein.  Es braucht nicht nur gleiche Löhne für alle Geschlechter, auch Teilzeitstellen für Eltern sind wichtig und die Aufwertung der Sorgearbeit. Schliesslich ist sicher auch die Behinderung meiner Tochter eine grosse Herausforderung.

Wie bist du mit diesen Herausforderungen umgegangen?

Gewissermassen wie ein «Stehauffrauchen» oder wie Nietzsche sagte «was dich nicht umbringt, macht dich stärker». Zu empfehlen ist diese Strategie nur begrenzt. Sie half mir aber dabei, Krisen zu überwinden und nicht aufzugeben. Ausserdem war ich mit meinen Herausforderungen und Anliegen meinen Vorgesetzten gegenüber immer transparent und habe meine Bedürfnisse klar formuliert. Ich machte damit nur gute Erfahrungen.

Worauf bist du stolz?

Darauf, dass ich immer wieder Freude finde an neuen Projekten. Auf meinen Mut und dass ich damit neue Wege gehen kann. Auf meine Offenheit und meine Widerstandskraft. Und darauf, dass ich mit meinem Mann und meinen Kindern schon viele Krisen und Herausforderungen gemeistert habe.

Was hättest du dir aus der heutigen Erfahrung bei deinem Berufseinstieg gewünscht?

Mehr Bestärkung von anderen Frauen. Weniger: «du wirst dann schon noch sehen, dass es nicht so einfach ist» und mehr «du kannst das, du schaffst das, ich unterstütze dich und ich freue mich, wenn du es einfacher hast als ich». Ich wäre froh gewesen, man hätte mir als junge Frau mehr gesagt, wie wichtig der richtige Partner ist, um Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen. Heute habe ich ihn zum Glück gefunden. Meinem bald 18-jährigen Sohn sage ich immer mal wieder, man kann auch zwischen 30 und 40 das erste Mal Eltern werden und vorher eine Ausbildung abschliessen, reisen, sich selbst finden. Es hat keine Eile.

Dein Tipp für junge Frauen beim Berufseinstieg

– Kenne deine Stärken und baue sie aus. Kenne deine Schwächen und söhne dich mit ihnen aus.
– Es muss dich nicht jeder mögen, behandle trotzdem dein Team, deine Kolleg:innen so, wie du auch behandelt werden möchtest.
– Sei fair und kenne deine Privilegien.
– Und vielleicht das Wichtigste: Lass dich nicht verunsichern durch die vielen Anforderungen an Frauen in der heutigen Gesellschaft, du wirst sie eh nie alle erfüllen können. Es ist reine Zeitverschwendung, dich davon unter Druck setzen zu lassen. Fasse lieber den Mut, Dinge auszuprobieren und auch mal zu scheitern.


Marah Rikli lebt mit ihrem Mann, ihrem Sohn (17) und ihrer Tochter (7) in Zürich. Sie schreibt als freie Journalistin für diverse Medien, begleitet Frauen als Mentorin, moderiert Lesungen und Talks und leitet noch bis im April eine Buchhandlung. Danach widmet sie sich ihrem ersten Buchprojekt.

Mehr zur ihrem Schaffen unter www.marahrikli.ch