Viele kennen diese Situation: Sie müssen vor einer Gruppe etwas präsentieren oder an einer Sitzung etwas erläutern, sie sind gut vorbereitet, doch dann kommt die Nervosität vor dem «Auftritt». Im Gespräch erzählt Sarah Verny, worauf es bei einem selbstbewussten Auftreten zu achten gilt, wie frau das üben kann und welche Tricks dabei helfen. Sie ist Theaterpädagogin und gibt unter anderem Kurse in Auftrittskompetenz an verschiedenen Fachhochschulen. In unserem Rudel-Mentoring leitet sie den Workshop «Selbstbewusst Auftreten».
Sarah, was macht für dich selbstbewusstes oder selbstsicheres Auftreten aus?
Sarah Verny: Ein entscheidender Punkt ist, dass es um das Selbstbewusstsein geht: Eine Person, die selbstbewusst auftritt, weiss, was sie macht und sie macht dies auch absichtlich. Oder in anderen Worten: Es passiert ihr nicht, sondern sie handelt bewusst. Und wenn ihr trotzdem etwas passiert, beispielsweise wenn ihr etwas herunterfällt oder sie sich verspricht, dann ist dies nicht schlimm und sie kann damit umgehen. Sie ist sich ihrer selbst sicher.
In Bezug auf den Körper und das Äusserliche zeichnet sich selbstsicheres Auftreten durch eine gewisse Klarheit aus: ein klarer Blick, ein klares Verhalten, klare Aussagen, eine klare Stimme, eine aufrechte Körperhaltung. Kurz gesagt: Klar, bewusst, aufrecht und mit einer gewissen Ruhe. Dafür hilft zum Beispiel, beim Vorbereiten der Präsentation auch den Anfang und das Ende zu planen. Wie begrüsse ich das Publikum? Was ist mein Schlusssatz?
Was ist dabei wichtig?
Selbstsicher wirken heisst nicht automatisch selbstsicher sein! Wie wir äusserlich wirken, ist nicht immer kongruent damit, wie wir uns innerlich fühlen. Selbstsichere Aussenwirkung lässt sich herstellen. Dafür kann ich ein Rezept schreiben, was es alles dazu braucht: zum Beispiel ruhig bleiben und sich Zeit lassen, auch wenn etwas Ungeplantes passiert. Hektik wirkt nervös. Ich mache bewusst alles langsam, z.B. beim Einrichten oder wenn mir die Notizen runtergefallen sind und atme nochmals tief durch, bevor ich beginne. Für eine selbstsichere Wirkung ist auch wichtig, aufrecht zu sitzen oder stehen und den Blick geradeaus zu richten.
Hilfreich ist zudem, wenn ich mir vor dem Auftritt überlege, was ich erreichen will und was mein Ziel ist und dieses so konkret wie möglich formuliere. Je nachdem baue ich meine Präsentation unterschiedlich auf und kann mit den Reaktionen aus dem Publikum auch entsprechend umgehen.
Hast du einen Tipp gegen die Nervosität oder wie ich sie zumindest in den Griff bekomme?
Der wichtigste Tipp, der nicht genug gesagt werden kann: Üben üben üben und zwar alle Formen von Auftritt! Wenn ich mich beispielsweise nicht getraue, mich in einer Runde zu melden, dann übe ich das immer wieder, in allen möglichen Situationen. Eine gute Übung ist auch, sich selber vorzustellen, das kann gut auch in privaten Situationen immer wieder trainiert werden. Und nicht zuletzt auch den eigentlichen Vortrag oder die Präsentation üben, also nicht einfach den Text zu lesen, sondern den ganzen Ablauf der Präsentation durchzuspielen mit hingehen, begrüssen und dann den Inhalt laut aufsagen. Idealerweise vor Publikum.
Für die Vortragsnotizen gilt: Keine Sätze aufschreiben, sondern nur Stichworte notieren und zwar auf kleine etwas dickere, nummerierte Moderationskarten (statt auf normales Papier in A4-Format). So kannst du sie gut halten, auch wenn du ein wenig zitterst und die Nummerierung hilft, falls dir die Karten herunterfallen oder durcheinandergeraten.
Gibt es noch etwas Weiteres, was frau üben kann?
Eine gute Übung ist, sich eine Ruheposition für die Hände zu suchen, z.B. die Hände ineinanderlegen. Dies funktioniert als eine Art «Parkplatz», wo ich meine Hände ablege, wenn ich sie grad nicht brauche und nicht gestikuliere. Das kann gut antrainiert werden. Ein anderer wichtiger Aspekt, der sich gut trainieren lässt, ist Pausen auszuhalten und auch aktiv Pausen zu machen. Das hilft auch, um viele «ähs» zu vermeiden. Dazu braucht es ein langsames Redetempo, so dass ich genug Zeit habe, um eine Pause zu machen, statt äh zu sagen oder ins Stocken zu geraten. Die vorhin erwähnte Ruhe gilt also nicht nur für die Bewegungen, sondern braucht es auch beim Sprechen.
Wie ist es bei dir selber – bist du vor Auftritten jeweils noch nervös?
Ja und ich glaube auch, ich werde nie nicht nervös sein. Ich bin bei allem nervös, was mir wichtig ist und das ist einfach menschlich. Es geht nicht darum, die Nervosität vollständig loszuwerden, sondern sich mit ihr anzufreunden und insofern zurecht zu kommen, dass ich davon weder gelähmt werde noch ängstlich oder unsicher wirke.
Nervosität oder Lampenfieber gehört einfach dazu und gibt uns auch eine gewisse Grundspannung. In Situationen, in denen ich nicht nervös bin, muss ich mich manchmal ein wenig pushen, damit ich Energie bekomme. Wenn ich aber ein wenig nervös bin, bin ich automatisch in einer gewissen Spannung und ein wenig kribbelig und das hilft mir, wenn ich beispielsweise einen Workshop leitet.
Und wie gehst du damit um?
Ich habe Hilfsmittel vor und während dem Auftritt. Bei Dingen, bei denen ich weiss, dass sie mich nervös machen, bereite ich mich besonders gut vor und übe sie immer wieder. Dies hilft mir rational, wenn ich weiss, ich bin gut vorbereitet, ich konnte es beim Üben xmal gut, dann kann ich es nun auch. Ich kenne meinen Text und ich weiss, was ich mache.
Das andere konkrete Hilfsmittel kurz vor dem Auftritt ist eine Atemübung. Atemübungen helfen, um aus dem Kopf und dem Gedankenkarussell herauszukommen und sie senken ganz konkret unseren Puls. Eine gute Übung ist zum Beispiel die 4-7-8-Atmung, bei der doppelt so lange ausgeatmet (auf 8 zählen) wie eingeatmet (auf 4 zählen) und dazwischen der Atem angehalten wird (auf 7 zählen). Eine zweite gute Übung, die du auch machen kannst, wenn du bereits auf dem Weg zum Rednerinnenpult bist, ist lange auszuatmen wie um eine Kerze auszublasen und dabei mit den Lippen ein «f» zu formen. Bewusstes Atmen ist immer auch Erden.
Sarah Verny hat den Master in Theaterpädagogik an der ZHdK abgeschlossen. Sie assistierte an der Schaubühne Berlin, leitete in der Spielzeit 2015/2016 die Theaterpädagogik am Konzert Theater Bern und arbeitet seitdem freiberuflich für verschiedene Deutschschweizer Theaterinstitutionen u.a. für das Zürcher Schauspielhaus. Aktuell unterrichtet sie Auftrittskompetenz, Persönlichkeitsbildung und Theater an der FMS Thun sowie Präsentationstechnik und Auftrittskompetenz an der Kunsthochschule HGK Basel.