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Zur Übersicht29. August 2023

Frauen*domäne: Softwareingenieurin

Einige Berufe werden auch heute noch seltener von Frauen ausgeübt. Wir haben mit Frauen gesprochen, die in sogenannten „Männerdomänen“ arbeiten. Sie stellen ihren Traumberuf vor und ermutigen andere Frauen, ihren Träumen zu folgen  – so auch Nadja Kämpf.

Liebe Nadja, danke, dass du dir Zeit genommen hast, von deiner beruflichen Tätigkeit zu erzählen. Du bist Softwareingenieurin im Robotik Bereich. Wie bist du auf diesen Beruf gekommen?

Nach dem Gymnasium wollte ich ursprünglich Biomedizin studieren, habe mich dann aber für Maschinenbau eingeschrieben, weil dieser Bachelorstudiengang mehr Optionen für den Master offen lässt. Tatsächlich habe ich mich später mehr für die Robotik interessiert und habe einen Master in Robotics, Systems und Control abgeschlossen. In diesem Bereich habe ich schliesslich eine Stelle in Zürich gefunden, wo ich seit 2 Jahren arbeite.

Wie ist es dir während des Studiums ergangen?

Das Studium war sehr zeitintensiv und erforderte viel Disziplin, insbesondere während der Semesterferien und Lernphasen, in welcher andere Studierende anderen Tätigkeiten nachgehen. Da müssen jedoch alle durch, die sich an der ETH für ein Studium anmelden.
 
Wie hat dein Umfeld auf deinen Berufswunsch reagiert?

Meine Familie hat mich bei meiner Studienwahl sehr unterstützt. Ich habe jedoch auch einige Kollegen, die sich etwas kritischer äusserten und meinten, Maschinenbau würde nicht wirklich zu mir passen.

Ich glaube aber, dass es auch bei der Berufswahl meist mehrere richtige Wege und nicht nur die eine richtige Entscheidung gibt.

Gibt es Momente, in denen du spürst, dass du als Frau in diesem Beruf in der Minderheit bist?

Im Studium war dies nur relativ selten der Fall. Da jährlich ungefähr 500 Studierende neu mit Maschinenbau beginnen, trifft man auch bei einer Frauenquote von 12% auf nette Kolleginnen. In solch grossen Studienprogrammen bilden sich zwangsläufig kleine Grüppchen, in unserem waren die Frauen in der Überzahl. Die Frauen im Studium lernte ich auch durch verschiedene Events, welche Firmen im Rahmen von Diversity Programmen organisieren, schnell kennen.

Bei der Arbeit hingegen spüre ich eher, dass Frauen in der Minderheit sind, zeitweise war ich die einzige Frau in unserem Team. Mittlerweile habe ich mich jedoch etwas daran gewöhnt und pflege auch Kontakte zu Frauen aus anderen Teams der selben Firma.

Was müsste verändert werden, damit du dich als Frau noch wohler fühlst oder gefühlt hättest? 

An der Hochschule gelten für alle Studierenden die gleichen Massstäbe.

Im Beruf jedoch sind die Rahmenbedingungen anders als im Studium. Hier hängt viel von den Vorgesetzten, dem Team und dem eigenen Verhandlungsgeschick ab, was leicht zu Konflikten führen kann. Der vermehrte Einsatz von strukturierteren Beurteilungen könnte helfen, Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden.

Ob sich eine Person, egal welcher Minderheit sie angehört, in einem Team wohl fühlt, hängt oft von der Teamkultur ab. Ich denke, es wäre wichtig, gerade bei internen Konflikten vermehrt auf diese Personen zu hören und ihre Anliegen zur Verbesserung der Situation im Team ernst zu nehmen.

Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders?

Bei meiner Arbeit schätzte ich die Möglichkeit an interessanten Projekten mitzuwirken und den Austausch mit Personen mit anderem Hintergrund und Ideen.
 
Gibt es etwas, dass du anderen Frauen auf den Weg geben willst, die den gleichen Beruf ausüben wollen?

In meinem Umfeld hatten und haben relativ viele Frauen mit Selbstzweifeln zu kämpfen, sowohl während des Studiums als auch später. Versucht, eure Leistungen objektiv zu beurteilen, oft gibt es keinen Grund für diese Zweifel.

Ausserdem finde ich es wichtig, sofort anzusprechen, wenn man sich ungleich oder schlecht behandelt fühlt. Manchmal können so weitere Unannehmlichkeiten vermieden werden.
 
Ein schöner Rat und ein spannender Einblick, der hoffentlich andere Frauen für ein Studium im Bereich Engineering ermutigt – herzlichen Dank!


Nadja Kämpf (27) ist Softwareingenieurin bei Hexagon. Sie hat einen Master of Science in Robotics, Systems and Control der ETH.

Zur Übersicht22. August 2023
Rudel-Kolumne Banner

«Der perfekte Beitrag über ungesunden Perfektionismus»

Autorin: Stefanie Rübenacker

Mich überrascht immer wieder, wie das das Leben so spielt. Wie es uns IMMER WIEDER den Spiegel vorhält und nicht lockerlässt, bis wir die Lektion auch wirklich verstanden haben. Einfach Zeit verstreichen lassen, gilt nicht: The only way out is through. Genau so ging es mir mit dieser Kolumne zum Thema «Perfektionismus».  In der Redaktionssitzung habe ich dem Team gross verkündet, einen Beitrag zu schreiben: «Wie wir ungesunden Perfektionismus überwinden». Ich war überzeugt, kürzlich grossartige Erkenntnisse dazu gehabt zu haben und verspürte das starke Bedürfnis, meine Weisheit mit allen zu teilen. In meiner Vorstellung war der Beitrag bereits geschrieben, meine Erlebnisse, Einsichten und Ratschläge schlüssig und spritzig zusammengefasst. Eine Portion Barbara Bleisch mit einer Prise Gülsha. Tiefgründig und doch mitten aus dem Leben. Entsprechend begeistert reagierte auch das Team auf meinen Vorschlag. Eine Kolumne zu Perfektionismus – grossartige Idee!

Ich öffnete noch am gleichen Tag euphorisch mein Word. Das digitale Blatt Papier weissstrahlend vor mir, der Curser erwartungsvoll blinkend. Durch meinen Kopf blitzten dutzende Ideen. Ich wollte alles unterbringen. Ich wollte den perfekten Beitrag schreiben. DEN PERFEKTEN BEITRAG ÜBER UNGESUNDEN PERFEKTIONISMUS. Touché. Es bedarf nicht viel Kombinationsgabe, um jetzt schon zu ahnen, dass es natürlich nicht dazu kam. Anstatt einfach loszulegen, drehte und wendete ich jedes Wort, weil mir einfach keines zusagte. Sobald ich ein bis zwei Sätze runtergetippt hatte, drückte ich die DELETE-Taste, als ging es um mein Leben. Bis ich irgendwann erschöpft und frustriert den zuklappte. Ein bisschen Zeit vergehen lassen, ist bestimmt eine gute Idee. Schreibblockaden kennen selbst die erfolgreichsten Autor*innen … Wie es so ist mit diesen Spiegeln des Lebens, erkennen wir sie selten dann, wenn wir geradeaus in sie hineinstarren.

Zwei Tage liess ich meine Schreibblockade ruhen, bis ich den nächsten Versuch wagte. Das digitale Blatt Papier immer noch strahlendweiss, der Cursor inzwischen fast vorwurfsvoll blinkend. Dieses Mal versuchte ich es mit einer anderen Herangehensweise. Bevor ich zu schreiben anfing, recherchierte ich. Darin war ich gut. Schliesslich habe ich ein ganzes Semester lang «wissenschaftliches Arbeiten» gelernt. Ich klickte mich also durch Psychologie-Blogs, Master- und Bachelorarbeiten und Studienpaper rund um Perfektionismus und mit jeder Lektüre verlor ich ein bisschen mehr Selbstvertrauen. Wusste ich überhaupt genug, um einen Beitrag über Perfektionismus zu schreiben? Wie wissenschaftlich muss eine Kolumne eigentlich sein? Gibt’s solche Beiträge nicht eh schon zur Genüge? Vielleicht muss ich mein ganzes Vorhaben über den Haufen schmeissen – das war der letzte Gedanke, bevor ich das Worddokument wieder schloss. Und dieses Mal blieb es ein paar Tage länger zu.

Während ich immer ernsthafter mit dem Gedanken spielte, das Vorhaben abzubrechen und möglichst alle anderen auch noch so nichtigen Aufgaben vorzog, trudelte eine Mail von meiner Teamkollegin rein: «Ich freu mich auf deinen Beitrag über Perfektionismus». Mist. Damit hatte ich natürlich nicht gerechnet. Schlimmer noch als meinen Erwartungen nicht gerecht zu werden, ist nur, anderer Erwartungen nicht gerecht zu werden. Aha. Kam mir das nicht irgendwie bekannt vor? Ich schloss die Augen, atmete tief und lächelte liebevoll über so viel Metaebene, über so viel vorgehaltenen Spiegel. Während ich einen Beitrag über ungesunden Perfektionismus schreiben wollte, stand mir also nichts Geringeres im Weg als mein eigener ungesunder Perfektionismus.

Nun sitze ich also hier und öffne noch einmal das Word. Eine ganz neue Datei, ohne gemeinen Cursor. Und ich beginne zu schreiben. Einfach drauflos. Die perfekten Wörter fliegen mir immer noch nicht zu, auch die Sätze kommen ungeschliffen. Doch ich weiss, da muss ich durch. Und es fühlt sich ziemlich gut an. Denn das wollte ich eigentlich mit dieser Kolumne weitergeben. Aus Angst davor, Erwartungen nicht zu erfüllen, nicht gut genug zu sein, angreifbar zu werden, mache ich oft NICHTS. Dadurch stehe ich mir und vor allem meinen Wünschen und Zielen im Weg. Ich fürchte mich so sehr vor Urteilen anderer, dass ich schon Bewerbungen auf Traumstellen nicht abgeschickt, Arbeiten zu spät eingereicht oder Personen nicht angesprochen habe. Ich versuche, alle möglichen Kritikpunkte, Meinungen und Reaktionen vorherzusehen, bis ich fast durchdrehe. Ich stehe damit aber nicht nur mir und meinen Wünschen im Weg, sondern auch spannenden Diskussionen, befruchtendem Austausch und Innovation. Denn Perfektionismus hinter mir lassen, habe ich nicht zuletzt auch im Design Thinking gelernt: Ideen möglichst früh eine Form geben, so werden sie konkret und können diskutiert, widerlegt, weiterentwickelt oder umgesetzt werden. Das lässt sich auch auf persönliche Anliegen und Vorhaben übertragen. Prototyping als Therapieform quasi. Einfach mal loslegen, die Bewerbung schicken, die Arbeit abgeben, die Person ansprechen, oder den Beitrag schreiben. Vielleicht erhalten wir eine Absage, ernten ein Naserümpfen oder Kopfschütteln. Vielleicht aber auch nicht.