Wann fühlen wir uns mächtig, wann machtlos? Der dritte Workshop „die eigene Macht ausloten“ setzte sich mit dem bewussten Umgang mit Macht auseinander. Zita Küng, Juristin, Organisationsberaterin und Frauenrechtsaktivistin, macht dabei deutlich, dass jede Frau ein Machtprofil und eine Position innehat, die frau aktiv ausfüllen sollte.
Denken wir an Personen, die uns mächtig erscheinen, kommen uns verschiedene Namen in den Sinn: Kim Jong Un, Donald Trump, Elon Musk oder Angela Merkel. Was auffällt: viele davon sind Männer. Frauen und Macht ist bis heute noch keine selbstverständliche Verbindung. Aus diesem Grund ist es als Frau umso wichtiger, sich mit der eigenen Macht auseinanderzusetzen, betont Zita Küng.
Machtquellen, die uns ausmachen
Macht ist nicht selbstverständlich gegeben oder nicht vorhanden. Eva Renate Schmidt sieht dabei zwei Machtquellen: Person und Position. Als Person haben wir verschiedene Machtbasen, wobei diese je nach Situation unterschiedlich nützlich sind. Schmidt unterteilt sie in die folgenden Basen: „Informationen, Expertise, Anerkennung, Beziehungen, Sanktionen, Körper und Definitions- und Deutungsmacht“. Zita Küng erläutert dazu genauer:
Welche Informationen haben wir?
Welche Informationen wir kennen und ob wir wissen, wie wir zu Informationen gelangen, ist ein relevanter Aspekt unserer Macht. Dabei geht es nicht nur um „harte Daten“, sondern auch um zwischenmenschliche Informationen, wie Gerüchte, Stimmungen oder Schwingungen, die frau erfährt. Wer hat im Team nächstens Geburtstag? Welche neuen Bestimmungen gelten? Macht bedeutet dabei, diese Informationen nicht nur zu besitzen, sondern auch aktiv zu nutzen.
Welche Beziehungen pflegen wir?
Eine weitere Basis der Macht sind unsere Beziehungen, dazu gehören Beziehungen innerhalb der vorhandenen Strukturen, aber auch Netzwerke und Koalitionen. Auch Sympathie und Antipathie spielen eine wichtige Rolle, sowie die Solidarisierung, die wir durch die Beziehungen erhalten. „Frauen müssen lernen, Netzwerke und Koalitionen stärker zu nutzen und temporäre Beziehungen zu pflegen“, betont Küng dabei.
Wie viel Expertise haben wir?
Das Wissen, das wir aufgebaut haben, ist eine weitere Basis unserer Macht. Dazu zählen nicht nur berufliche Qualifikationen oder Aus- und Weiterbildungen, sondern alle Lebenserfahrungen, die wir gemacht haben. „Mütter sind beispielsweise durch ihre Familienarbeit Profis im Chaosmanagement, das gehört ebenfalls zu ihren Expertisen“, hält Zita Küng fest.
Wieviel Anerkennung bekommen wir?
Beförderungen, Komplimente oder Wertschätzungen beispielsweise in Form von Gehaltserhöhungen vermitteln uns Anerkennung und diese wiederum gibt uns Macht. „Wobei Frauen zurückhaltend sind, wenn es darum geht, sich feiern zu lassen. Es gilt noch immer als unweiblich – hier haben Frauen definitiv noch Luft nach oben“, betont Zita Küng. Es ist auch wichtig, dass Frauen sich gegenseitig loben. „Frauen lernt, einander schön und gross zu machen“ hat Elisabeth Moltmann-Wendel einmal erklärt. Auch Zita gibt dies als Ratschlag Frauen mit auf den Weg: „Ich selbst habe einen Mail-Ordner mit dem Namen ‚Blumenstrauss‘. Dabei überlege ich mir jede Woche, welche Frau mir in dieser Woche positiv aufgefallen ist. Mit dem Betreff „Blumenstrauss“ schicke ich ihr dann eine Mail, um ihr dies mitzuteilen“, verrät sie. Dabei hat Anerkennung nichts mit Aussehen zu tun. Kommentare zum Äusseren verweisen Frauen auf einen bestimmten Platz.
Welche Sanktionen verhängen wir?
Die Machtquelle ‚Sanktion‘ wird oft als ultimative Macht verstanden, da damit entschieden werden kann, wer bleibt und wer geht. Wer Sanktionsmacht hat, kann auch Bedingungen schaffen, daher gilt es hier, Forderungen zu stellen: „Weibliche Stärken“ müssen vermehrt in den Anforderungsprofilen für Männer integriert werden und es braucht systemische Bedingungen, die dem Lebensentwurf von Frauen gerecht werden.
Wie setzen wir unseren Körper ein?
Der eigene Körper ist das beste Unterstützungssystem und eine weitere Quelle der persönlichen Macht. Dabei geht es nicht darum, dass frau in Stöckelschuhen den Raum betritt, sondern den eigenen Körper schätzt und eine körperliche Präsenz ausstrahlt. „Lasst euch dabei nichts einreden“, beschwört Küng, „sondern steht zu euch selbst.“ Mit dieser Haltung kann Gesagtem Nachdruck und Gestalt verleihen.
Besitzen wir Definitions- und Deutungsmacht?
Diejenigen, die definieren können, legen den Weg fest. Die Machtbasis der Definitions- und Deutungsmacht ist gerade für Organisationen relevant. „So ist aktuell Jugendlichkeit hip, obwohl die Gruppe der Jugendlichen wenig mitbestimmen kann. ‘Bestes Alter’ hat für Männer fast keine Grenzen, aber Frauen ab 35 Jahren kommen praktisch nicht mehr vor“, erklärt die Juristin. Um solche Muster zu verändern, benötigt es Deutungs- und Definitionsmacht.
Erstelle dein eigenes Machtprofil
Aus diesen sieben Machtbasen kann jede Person ihr eigenes Machtprofil erstellen, indem wir uns bewusst überlegen, wie stark jede Basis in einer bestimmten Situation ausgeprägt ist. Haben wir viele Informationen über die Arbeit, die Mitarbeitenden? Können wir im Tennisclub entscheiden, wie die Bedingungen für neu eintretende Mitglieder sind? Bewegen wir uns aufrecht bei einer Präsentation im Team? Sein eigenes Machtprofil zu kennen, hilft sich selbst einzuschätzen und zu erkennen, wo es Möglichkeiten gibt, sich selbst zu stärken. Aber auch, um festzustellen, wo wir bereits Macht innehaben, so dass einem bei der Frage „Wer ist mächtig?“ in Zukunft nicht nur Männer einfallen.