Einige Berufe werden auch heute noch seltener von Frauen ausgeübt. Wir haben mit inspirierenden Frauen gesprochen, die in sogenannten „Männerdomänen“ arbeiten. Sie stellen ihren Traumberuf vor und ermutigen andere Frauen, ihren Träumen zu folgen – so auch Kathleen Rhyner.
Liebe Kathleen, schön, dass du da bist und wir heute das Gespräch miteinander führen können.
Du bist Velomechanikerin und unser Rudel interessiert, wie du auf diesen Beruf gekommen bist?
Kathleen Rhyner: Ich habe in verschiedenen Berufen geschnuppert, mein Favorit war eigentlich die Post. Dort habe ich aber die Lehrstelle nicht bekommen und die Schnupperlehre als Velomechanikerin hat mir gut gefallen, daher habe ich dort zugesagt.
Wie kann ich mir deine Suche nach dem passenden Lehrberuf vorstellen?
Ich habe im Internet auf einer Seite mit offenen Lehrstellen geschaut, was mich interessiert. In Frage kam dann wie gesagt eine Lehre bei der Post. Ich war auch als Spenglerin und Gärtnerin schnuppern. Das eine war mir zu streng und das andere zu monoton, daher fiel die Wahl dann auf Velomechanikerin.
Wie war es für dich, diesen Berufswunsch umzusetzen?
Ich hatte ehrlich gesagt vor der Schnupperlehre keine grosse Ahnung von diesem Beruf gehabt. Die Lehre habe ich mit 14 Jahren begonnen und es hat mir einfach gut gefallen – das tut es bis heute.
Empfandst du es als schwierig, diesem Berufswunsch nachzugehen?
Nein. Ich habe selber gar nicht realisiert, dass dies ein untypischer Beruf für eine Frau ist. Für mich war das kein Thema, der Gedanke ist mir gar nicht gekommen. Es war eher die Frau meines Lehrmeisters, die sich Gedanken gemacht hat. Sie hatten vor mir schon eine junge Frau in der Lehre, die dann nach einem halben Jahr abgebrochen hatte. Daher war sie ein wenig besorgt, ob dies bei mir dann auch so laufen würde.
Wie war die Reaktion deines Umfelds auf deinen Berufswunsch?
Mein Seklehrer war sehr offen. Sein Motto war, wenn es mir gefällt, dann soll ich das doch machen. Meine Freunde und Familien meinten auch, mach einfach das, was dir Spass macht. Meine Eltern haben mich immer unterstützt und waren in der Lehre an allen Gesprächen mit dem Lehrmeister dabei.
Gibt es Momente, in denen dein Geschlecht ein Thema ist?
In der Lehre waren wir fünf Frauen in der Klasse, da war es kein Thema. Auf der Arbeit war es dann schon so, dass ich halt nur mit Jungs die Mittagspause verbracht habe. Wenn wir zum Beispiel in der Stadt unterwegs waren, fiel ich natürlich auf als einzige junge Frau. Ich war mir das aber auch schon gewohnt, weil ich in der 3. Sek das Fach Handwerken gewählt hatte (statt Kochen) und da war ich die einzige Frau. Da war es dann eher für die Jungs ein Thema, dass eine Frau dabei war und welche Sprüche da noch drin lagen und welche nicht.
Was können Frauen in diesem Beruf speziell einbringen?
Bei Kund*innen mit Kindern merke ich, dass ich ein Vorbild für Mädchen sein kann, die sich auch für handwerkliche Berufe interessieren. Ganz konkret bei der Arbeit hilft mir, dass ich dünnere Finger habe und daher bei gewissen Aufgaben geschickter bin (lacht).
Welche Hürden siehst du für junge Frauen, dies sich für diesen Beruf interessieren?
Ob es Hürden gibt und ob das Geschlecht ein Thema ist, hängt stark vom jeweiligen Geschäft ab. Die physische Kraft ist natürlich ein Aspekt. Es gibt Aufgaben, bei denen mir einfach die nötige Kraft fehlt. Dann hole ich einen Kollegen. Das ist bei uns im Team überhaupt kein Problem und es gibt auch keine Sprüche deswegen.
Ein weiteres Thema ist das WC: Wir haben bei uns im Geschäft ein WC für alle. Da hätte ich als junge Frau Mühe gehabt, Tampons und einen Abfalleimer hinzustellen. Glücklicherweise arbeitete die Frau des Chefs damals auch im Geschäft, daher gab es das schon alles. Das ist aber sicher schwierig für junge Frauen, die gerade erst mit der Lehre gestartet haben. Grundsätzlich erlebe ich die Velomechaniker als sehr offen und unkompliziert. Bei den Kunden ist dies in seltenen Fällen anders.
Wie meinst du das?
Hin und wieder tut sich die ältere Generation etwas schwer damit, dass ich als junge Frau die Arbeit genauso gut mache wie meine männlichen Kollegen. Einmal sagte ein älterer Kunde zu mir: „Das händ Sie aber guet gmacht … so als Frau“. Ich habe ihm das nicht übelgenommen. Er meinte das sicher nicht böse, in seiner Generation gab es das wohl einfach noch nicht. Das war dann auch ein Thema bei uns im Team und ein Kollege hat mir zum Geburtstag ein T-Shirt geschenkt mit der Aufschrift „Ich chan das scho recht guet als Frau“.
Was gefällt dir am besten am Beruf Velomechaniker*in?
Der Beruf ist zwar handwerklich, aber es gibt keinen körperlichen Verschleiss, weil das meiste nicht viel Kraft braucht. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, ich lerne immer noch laufend dazu. Zudem brauche ich nicht nur meine Hände, sondern auch meinen Kopf. Und ich mag den Kontakt zu den Kund*innen. Schön ist auch, dass das Resultat meiner Arbeit sichtbar ist und ich viel Wertschätzung von den Kund*innen bekommen.
Gibt es sonst noch etwas, was andere für diesen Beruf begeistern kann?
Der Beruf ist auf jeden Fall zukunftssicher, Velo wird bestimmt immer gefahren. Mir macht es zudem Freude, dass ich Dinge reparieren kann und somit dazu beitrage, dass weniger weggeworfen wird. Der einzige Nachteil in diesem Job: Du siehst nie gut aus bei der Arbeit :-).
Was gibst du anderen Frauen mit auf den Weg, die den gleichen Beruf erlernen wollen?
Ich kann den Beruf sehr empfehlen und bin sicher, dass alle mit ein wenig handwerklichem Geschick und etwas Grips im Kopf den erlernen können. Mir bereitet der Beruf nach wie vor viel Freude. Zudem ist die Ausbildung eine gute Basis für andere Arbeiten, weil du handwerklich und technisch viel lernst und viel Kundenkontakt hast.
Wir danken dir vielmals für deine Offenheit und den interessanten Einblick, der hoffentlich andere Frauen ermutigt.
Kathleen Rhyner (23) ist gelernte Velomechanikerin und arbeitet im Winterthurer Veloladen Fateba. Sie ist Mitglied des Handwerk-Netzwerk für Frauen, gegründet von Sandra Fischer mit Unterstützung der Fachstelle Gleichstelle des Kantons Zürich. Das Netzwerk organisiert Workshops und Austauschtreffen auf Augenhöhe.
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